Das Schneckenrennen to Dubai

2013 war wahrlich kein gutes Jahr für die European Tour. Erneut floh eine Vielzahl der renommiertesten Namen über den großen Teich zur PGA Tour und nahm nur noch sporadisch an regulären European-Tour-Events statt. Nach der Kernnation England ist nun auch Spanien als verlässlicher Austragungsort weggebrochen, so dass die European Tour immer weniger ihrem Namen gerecht wird. Und schließlich machten Gerüchte die Runde, die European Tour sei ein heißer Übernahmekandidat für die PGA Tour, die derzeit quer über die Kontinente eine unterklassige Tour nach der anderen gründet um sich ein Monopol im Golfsport zu sichern. Mit der neugeschaffenen Final Series wollte George O’Grady nun den großen Befreiungsschlag landen. Analog zu den FedEx-Cup-Playoffs sollten vier Finalturniere mit hohen Preisgeldern eine große Riege an Stars anlocken und zum Ende der Saison den Zuschauern noch einmal viel Spannung bieten und endlich wieder Aufmerksamkeit auf die European Tour lenken. Der Plan ging nach hinten los.

Gleich beim ersten Turnier der Final Series sorgte der Niederländer Joost Luiten für einen kleinen Eklat. Geplagt von einer Schulterverletzung, war er nicht in der Lage zu spielen. Doch um am Finalturnier teilnehmen zu können, musste er zwei der drei Final-Series-Events spielen. Und so kullerte Luiten beim BMW Masters einen Ball vom ersten Tee, schüttelte seinen Mitspielern die Hand und zog zurück. Das Nachsehen hatte der erste Nachrücker Justin Walters, dem die Teilnahme am Turnier damit versagt wurde und der die Teilnahme an der Tour Championship deshalb um gut 29.000 Euro (in etwa Platz 42 beim BMW Masters) verpasste.

Den nächsten Tiefschlag erhielt George O’Grady von Ernie Els. Der Südafrikaner bezeichnete die Zwangsverpflichtung der Spieler als Farce und absoluten Witz und beließ es nicht bei Worten. Er widersetzte sich der Startvorgabe und verzichtet auf eine Teilnahme am Finale – ebenso wie Landsmann Charl Schwartzel und Sergio Garcia, so dass nur noch 56 Spieler bei der DP World Tour Championship antreten.

Doch obwohl dieser Aufstand der Golfprofis das Thema Nr. 1 in den so berechenbaren Golfmedien ist, ist dies noch das kleinste Problem der Final Series. Viel fataler sind die grundlegenden strukturellen Probleme der Finalrunde – und die beginnen bereits bei der Auswahl der Turniere. Denn die als Qualifikationsrunde für die Tour Championship konzipierte Final Series bietet so gut wie keine Chance für Veränderungen. Beim 78 Mann starken BMW Masters waren 14 Plätze für (fast durchweg nicht konkurrenzfähige) chinesische Spieler reserviert, bei der HSBC Champions hatten lediglich die Top 25 im Race to Dubai einen garantierten Startplatz. Und selbst bei der Turkish Airlines Open waren letztlich nur 72 für das Race to Dubai relevante Spieler dabei. Das logische Resultat: Die Top 60 blieben nahezu unverändert. Lediglich vier Spieler (Rory McIlroy, Peter Hanson, Garth Mulroy und Craig Lee) spielten sich noch ins Finale – auf Kosten von Sören Kjeldsen, Danny Willett, Ricardo Santos und Steve Webster.

Zwei der Veränderungen kamen dabei sogar noch mit einem Beigeschmack zustande. Denn McIlroy und Hanson erspielten sich ihre Qualifikation bei der HSBC Champions, wo sie im Gegensatz zu vielen im Race to Dubai besser platzierten Spielern eine Startchance erhielten. Wie wichtig dies war, zeigt auch das Beispiel Luke Donald. Der durfte bei der HSBC Champions antreten, spielte schwach und liegt nun knapp 12.000 Euro vor dem 61. der Wertung, Sören Kjeldsen. Der durfte nicht zur HSBC Champions, wo ihm selbst der letzte Platz noch 29.000 Euro Preisgeld eingebracht hätte. An anderer Stelle hat die European Tour entschieden, dass die Einnahmen eines Spielers mit einer Sponsoreneinladung (bsw. Maximilian Kieffer beim BMW Masters) nicht zum Race to Dubai zählen dürfen um das Ranking nicht zu verzerren. Warum eine ähnliche Maßnahme nicht auch bei der HSBC Champions getroffen wurde, bleibt wohl das Geheimnis von George O’Grady. Wobei: Ein Geheimnis ist es eigentlich nicht, stellt diese spezielle Verzerrung doch sicher, dass mehr bekannte Namen beim Race-to-Dubai-Finale dabei sind – ganz egal ob sie es verdient haben, oder wie wenig sie sich die anderen 48 Wochen des Jahres um die European Tour scheren.

Und so kommt es bei der Tour Championship wie es kommen musste. Die einzigen drei Spieler, die aus eigener Kraft das Race to Dubai gewinnen können, sind die PGA-Tour-Mitglieder Henrik Stenson, Justin Rose und Graeme McDowell, die zusammengerechnet (!) gerade einmal an 14 regulären European-Tour-Turnieren (=keine Majors, WGCs oder Final Series) partizipiert haben. Vom ebenfalls für das Finale spielberechtigten Affiliate Member Jonas Blixt, der sich gerade mal so zum Nordea Masters aufraffen konnte, wollen wir gar nicht erst reden. Zum Vergleich: Der Siebtplatzierte Thongchai Jaidee kommt alleine auf 17 reguläre Starts.

Ein Umstand, der für die European Tour ein echtes Dilemma ist: Auf der einen Seite braucht sie die Präsenz der großen Namen um nicht noch weitere Titelsponsoren zu verlieren, auf der anderen Seite werden treue Mitglieder dadurch vergrätzt, dass Spieler, die kaum auf der European Tour präsent sind, durch die Final Series von der Tour die Millionen in den Allerwertesten gepustet bekommen. Doch die Schuld alleine auf die Final Series zu schieben wäre falsch, das Grundproblem des Race to Dubais beginnt bereits Monate vorher – und die Lösung dafür bietet ein Blick in die USA. Denn bei aller berechtigter Kritik an den FedEx-Cup-Playoffs: I den sieben Jahren ihrer Existenz haben die Amerikaner herausgefunden wie sie dafür sorgen, dass bei ihrer Tour Championship nicht die Luft raus ist.

Doch wo die Amerikaner einen völlig absurden Reset machen müssen und so dafür sorgen, dass ein Spieler trotz 20 Saisonsiegen im Finale immer noch abgefangen werden kann, könnte die European Tour aufgrund ihrer Struktur ganz ohne diese Krücke auskommen und ein Gleichgewicht zwischen Wenig- und Vielspielern herstellen. Das Einzige was sie machen müsste, wäre das Race to Dubai von einer Preisgeldliste zu einer Punkteliste umzustellen. Denn die Achillesferse des Race to Dubai ist, dass Majors und World Golf Championships zu viel Gewicht haben und dadurch 1-2 gute Ergebnisse schon ausreichen, um sich ohne viele weiteren Starts in eine komfortable Position für das Race to Dubai zu bringen. Dies zeigt sich am Besten, wenn man einmal die Wertigkeiten auf der PGA Tour und der European Tour vergleicht. Wer auf der PGA Tour ein Major gewinnt, erhält 600 FedEx-Cup-Punkte. Sieger von WGC-Events bekommen 550 Punkte und Sieger von regulären PGA Tour Events erhalten 500 Punkte. Ein Major-Sieg bedeutet also ein 20%-Premium gegenüber einem normalen Turniersieg.

Auf der European Tour sieht dies dagegen ganz anders aus. Für einen Majorsieg gibt es in etwa 1,1 Million Euro Preisgeld – in etwa mit dem gleichen Wert schlägt auch ein WGC-Erfolg zu Buche. Ein wirklich bedeutendes und prestigeträchtiges European-Tour-Event wie die Open de France lockt hingegen nur mit einem Siegerscheck von 500.000 Euro, für die BMW International Open gibt es sogar nur noch 333.000 Euro. Mit anderen Worten: ein Major- oder WGC-Sieg ist mehr wert als zwei Open de France oder drei BMW International Open. Nun mag das ein Spiegelbild der Realität sein (Wer würde nicht sofort zwei Open de France gegen ein grünes Jackett tauschen?) – für das Race to Dubai ist es jedoch desaströs, da die regulären European-Tour-Events, die immer noch das Herz der Tour ausmachen, vollkommen bedeutungslos werden. Eine Entwicklung, die sich nur noch verschärfen wird, schaut man sich die erodierenden Titelsponsoren an: Eine Open Championship wird immer ihr Preisgeld halten oder steigern. Eine Irish Open? Vermutlich nicht.

Würde man das FedEx-Cup-Punktesystem auf die aktuelle European-Tour-Saison anwenden, gäbe es in dieser Woche einen spannenden Dreikampf zwischen Henrik Stenson, Jamie Donaldson und Justin Rose um den Titel, die nur um etwa 60 Punkte getrennt wären. Würde man dann auch noch die Punktewertigkeit des Finales wie in den USA verdoppeln, könnte sich sicherlich ein Dutzend Spieler eine Chance auf des Jahrestitel ausmalen. Natürlich würden dann einige aufgeregte Stimmen protestieren, dass Henrik Stenson der beste europäische Golfer des Jahres ist. Doch ist er deswegen auch der beste European-Tour-Spieler des Jahres? Mit nur vier Auftritten in der alten Welt und keinem einzigen Turniersieg?

Für die European Tour hätte ein Wechsel zu einem Punktesystem zudem einen weiteren Vorteil: Sie müsste ihre Spieler nicht mehr bevormunden. Statt ein Strafensystem einzuführen (wenn er nicht mindestens an zwei von drei Tagen sein Zimmer aufgeräumt hat, bekommt Klein-Ernie kein Eis), würde ein freiwilliges Anreizsystem geschaffen (Klein-Charl bekommt auf jeden Fall eine Eiswaffel, aber je öfter er sein Zimmer aufräumst, desto mehr Kugeln wandern hinein). Und dass ein solches System funktioniert, sehen wir schon seit Jahren. Schließlich leben nahezu alle Profigolfer nach dem Mantra von Rod Tidwell.

3 Kommentare
  1. eifelmona
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  2. eifelmona
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  3. halbgolfer
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