Die Geschichte der Golf-Weltrangliste

Jahrelang war die Weltrangliste im Golf kein Thema. Jeder, der sich auch nur annähernd für Golf interessierte, brauchte keine mathematische Formel um zu wissen, wer der beste Golfer auf dem Planeten ist: Tiger Woods. Doch jetzt ist alles anders. Ab kommendem Montag steht nach 281 Wochen erstmals wieder ein anderer Name an der Spitze. Nur welcher ist noch nicht ganz klar: Entweder Lee Westwood oder unser aller Martin Kaymer. Dass Tiger Woods überhaupt so lange an der Spitze durchgehalten hat, obwohl er im aktuellen Kalenderjahr kein einziges Turnier gewonnen hat, liegt am komplexen Rechenalgorithmus, der die Ergebnisse der letzten zwei Jahre in absteigender Wertigkeit einrechnet (die genaue Formel findet sich auf der offiziellen Seite).

Entsprechend laut sind die Stimmen der Kritiker, die u.a. bemängeln, dass Lee Westwood der beste Golfer der Welt werden kann, indem er die Beine hochhält. Doch Kritik am Berechnungsmodus der Weltrangliste ist kein neues Phänomen. Bereits 1999 beklagte Olin Browne, dass die Weltrangliste aktueller sein muss: “Es ist vollkommen irrelevant, was man vor zwei Jahren gemacht hat. Man gibt ja auch niemandem die Pole Position weil er im Jahr zuvor in der Startaufstellung vorne stand.” Vielleicht nicht gerade der beste Vergleich, aber die Botschaft war klar. Doch warum wird die Rangliste überhaupt anhand der letzten zwei Jahre berechnet? Schuld daran ist…Björn Borg. Mark McCormack, der geistige Vater der Weltrangliste, hatte den schwedischen Tennisstar als mahnendes Beispiel im Hinterkopf. “Als Borg mit 26 Jahren seine Karriere als Nr. 1 der Welt beendete, war er ein Jahr später völlig aus der Weltrangliste verschwunden. Doch wenn er plötzlich zurückgekommen wäre, wären dann wirklich 500 Spieler auf der Welt besser als er gewesen”, argumentierte McCormack 1999 gegenüber dem Augusta Chronicle. 1968 kam ihm erstmals die Idee am Ende des Kalenderjahres eine Weltrangliste zu erstellen, 1986 wurde das System von der R&A adaptiert, um auf dieser Basis Einladungen für die Open Championship zu erstellen, 1995 folgten die professionellen Touren und die Weltrangliste bekam ein offizielles Siegel.

Pikant an der Geschichte ist allerdings, dass Mark McCormack keinesfalls ein unabhängiger Statistiker ist. 1960 gründete er die International Management Group und verpflichtete als erste Klienten u.a. Arnold Palmer, Gary Player und Jack Nicklaus, die in der ersten inoffiziellen Rangliste die Plätze 1, 2 und 4 belegten. Entsprechend argwöhnisch wurde die Liste betrachtet, als sie 1986 erstmals unter dem Namen Sony Rankings mit Bernhard Langer als Spitzenreiter veröffentlicht wurde. Der Verdacht: IMG würde die Weltrangliste als Marketinginstrument für ihren Klienten Greg Norman missbrauchen. Etwas, was sogar der Australier selber 2004 in einem Interview mit der Palm Beach Post beklagte. “Ich hielt es für eine Marketingstrategie meines Managements von dem die Spieler nicht profitieren. IMG erhielt Geld von Sony für die Rangliste, das nicht an die weitergegeben wurde, die diese Liste erst funktionieren ließen.” Nichtsdestotrotz war Norman der erste große Profiteur der Liste. 331 Wochen stand er insgesamt an der Spitze und dank der weitsichtigen Zwei-Jahres-Konstruktion durfte er selbst nach einer siebenmonatigen Zwangspause aufgrund einer Schulter-OP weiterhin am Masters teilnehmen, das ab 1999 auch die Weltrangliste als Einladungskriterium adaptierte. Zu dieser Zeit hatte die Rangliste bereits einige Evolutionsstufen hinter sich.

Anfangs wurden die Ergebnisse der letzten drei Jahre herangezogen, die des letzten Jahres wurden im Wert vervierfacht, die des vorletzten Jahres verdoppelt. Weil einfach die Punktzahl zusammengezogen wurde, hatten Vielspieler einen automatischen Vorteil. Um dies auszugleichen stellte man am 2.April 1989 auf durchschnittliche Punkte um (wodurch Seve Ballesteros wieder an Greg Norman vorbeizog), wobei als Teiler eine Mindestzahl von 20 Turnieren pro Jahr angesetzt wurde. Doch auch das funktionierte noch nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Weil lange zurückliegende Turniere noch großen Einfluss auf die Rangliste hatten, wurde mit Beginn des Jahres 1996 nur noch auf die Ergebnisse der letzten zwei Jahre zurückgegriffen, wobei die letzten 52 Wochen doppelt zählten. Ab September 2001 schließlich begann man damit die Wertigkeit in gleichmäßigen Abständen zu reduzieren. Alle 13 Wochen wurde 1/8 der Wertigkeit abgezogen. Seit 2007 schließlich werden die erspielten Punkte in den ersten 13 Wochen mit voller Wertigkeit gezählt und danach pro Woche um 1/91 reduziert.

Ob damit endgültig das letzte Wort gesprochen ist, wird sich noch zeigen. Es spricht vieles dafür, dass in den nächsten Monaten und Jahren wieder mal ein Feinschliff erfolgen wird. Die nicht nachvollziehbare Situation um die Nr.1 hat sehr viel Kritik auf die Weltrangliste geworfen und die Entwicklungen der nächsten Wochen werden mit Argusaugen betrachtet werden. Schließlich werden wir aller Wahrscheinlichkeit in eine Phase eintreten, in der die Spitzenposition aller paar Wochen wechselt. Das Problem liegt allerdings nicht in der Spitze, sondern im Mittelfeld. Hier entscheidet sich, wer an den Majors und den lukrativen Turnieren der World Golf Championships teilnehmen darf. Und wenn schon die Spitze nicht repräsentativ für die aktuelle Spielstärke der Golfer ist, wie sieht es dann erst für die Top 50 aus?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *