Dr. Thomas de Maizière und die Randsportart Golf

Am gestrigen Montag schickte der Deutsche Golf Verband eine aufgebrachte Pressemitteilung raus. Grund war ein Interview des scheidenden Innenministers Dr. Thomas de Maizière im Magazin “Der Spiegel”, in dem er Golf als Randsportart bezeichnete. DGV-Präsident Hans-Joachim Nothelfer zeigte sich empört und warf mit Zahlen um sich, die die Massenfaszination Golf belegen sollen. Die Aufnahme in das olympische Programm war ein Argument, Elftgrößter Mitgliederverband der im Deutschen Olympischen Sportbund organisierten Verbände ein weiteres. Schließlich habe man mehr Mitglieder als “Schwimmen oder auch Skifahren, Volleyball und Hockey. Sportarten, die wohl niemand als „Randsportarten“ bezeichnen würde”, war zu lesen.

Schlagkräftige Argumente, die bei den meisten Golfseiten auf offene Ohren trafen und – wie so oft bei Pressemitteilungen – unreflektiert übernommen wurden. Und in der Tat sind die Zahlen, die der DGV verwendet die Wahrheit. Es gibt in Deutschland mehr organisierte Golfer als Schwimmer, Skifahrer, Volleyballer und Hockeyspieler. Doch dies allein entbindet den Golfsport nicht von dem Stigma einer Randsportart (im übrigen würde ich behaupten, dass zumindest Hockey und Volleyball von sehr vielen als Randsportart bezeichnet werden). Denn wenn dem so wäre, müsste man von Sportschützen, Reitern, Sportfischern und Bergsteigern als Massensportler reden – schließlich stehen diese in der Mitgliederstatistik des DOSB noch vor dem DGV. Eine Tatsache, die Herr Nothelfer in seiner Pressemitteilung wohlweislich unterschlagen hat.

Doch was ist überhaupt eine Randsportart? Hier gibt es verschiedene Definitionsmöglichkeiten. Der DGV scheint es dahingehend zu interpretieren wer die meisten organisierten Sportler hat. Eine andere Interpretation wäre es zu sagen, wie viele Menschen den Sport ausüben. Ein großer Unterschied, denn es mag nur etwa 600.000 organisierte Skifahrer in Deutschland geben – ausgeübt wird diese Sportart aber nach Schätzungen von etwa 15-16 Millionen Deutschen. Der Golfsport hingegen wird mit wenigen Ausnahmen auch nur von denen ausgeübt, die auch im Verband organisiert sind – schließlich sind öffentliche Golfplätze in Deutschland immer noch rar gesät und die Verbandsmitgliedschaft ist meist ein Zwangskriterium um Golf zu spielen. Eine Tatsache, die den elften Platz im Mitglieder-Ranking zusätzlich noch relativiert.

Eine dritte Definition – und die meistverbreitete – von Randsportart ist die der öffentlichen Wahrnehmung einer Sportart. Und wer nach dieser Auslegung Golf nicht als Randsportart definiert, läuft mit Scheuklappen durch die Welt. Golf findet im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen so gut wie nicht statt, in den Printmedien gibt es erst seit Martin Kaymers Erfolgen Ansätze einer Golf-Berichterstattung, und auf den Lokalsport-Seiten müssen Golfclubs noch immer hart kämpfen um Erwähnung zu finden. So traurig es auch ist, dem Medieninteresse nach betreiben wir wirklich eine Randsportart. Und genau diese Tatsache hat Thomas de Maizière in seinem Interview gemeint. Der DGV hat dies im Sinne der erstgenannten Definition missverstanden und stört sich nun an diesem Wort weil es seiner Meinung nach negativ belegt ist. Das Ironische daran ist, dass jedoch erst durch die DGV-Pressemitteilung Golf als Randsportart diskutiert wird und nicht durch das de Maizière-Interview: der Streisand-Effekt lässt grüßen.

Und hierin liegt das eigentliche Problem der Pressemitteilung: sie wurde im luftleeren Raum verfasst. Die wenigsten, die diese Mitteilung lesen, werden auch das Interview im Spiegel gesehen haben und könnten durch die Pressemitteilung den Eindruck bekommen, de Maizière hätte in einem langen Interview den Golfsport als minderwertig, elitär oder sonst wie bezeichnet. Doch dem war nicht so. Es ging de facto im letzten Abschnitt des Interviews lediglich um Steuererleichterungen für Sportveranstaltungen, darunter auch der Ryder Cup. Hier der genaue Wortlaut des Abschnitts:

SPIEGEL: Bei Olympia gibt es wie bei der Fußball-WM der Männer und Frauen eine Steuerbefreiung für die Veranstalter. Warum nicht für den Ryder Cup der Golfer, für den sich Deutschland bewirbt?

De Maizière: Wenn Sie mich fragen, ist eine Steuerbefreiung immer ein Problem. Aber bei Olympischen Spielen ist sie nun mal Teil der Bewerbungsbedingungen, und man bekommt auch die Fußball-WM nur zu diesem Preis. Der Ryder Cup ist dagegen nicht einmal eine Weltmeisterschaft.

SPIEGEL: Die Lobby der Golfer hält ihn für ziemlich bedeutsam.

De Maizière: Er ist sicher reich an Tradition und prestigeträchtig für die Golfspieler, aber nüchtern betrachtet handelt es sich um einen Wettbewerb zwischen Europa und den USA in einer Randsportart.

Nun kann man sich zurecht daran stören, dass de Maizière die Bedeutung des Ryder Cups unterschätzt – vor allem wenn man wie der DGV und die Golfmedien die Bedeutung überschätzt.. Im Zusammenhang der Fragestellung hat de Maizière aber Recht. Der Ryder Cup ist keine Weltmeisterschaft, es ist ein (sehr bedeutender) Wettstreit zwischen zwei Teams. Also eher Champions-League-Finale als Fußball-Weltmeisterschaft. Und siehe da: Auch Bewerbungen um das Champions-League-Finale in Berlin und Hamburg bekamen keine Steuererleichterungen und scheiterten letztlich daran. Und das obwohl niemand behaupten würde, Fußball wäre eine Randsportart. Auch eine erste Bewerbung für die Eishockey-WM 2009 scheiterte daran und die Leichtathletik-WM in Berlin fand ohne Steuerbefreiung statt. Denn laut §50 Einkommensteuergesetz gibt es eine solche Steuerbefreiung nur “wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt”. Und das ist gerade die Krux an der Sache. Ein besonderes öffentliches Interesse für den Ryder Cup gibt es nicht – auch weil der DGV es versäumt hat, eine Grundlage zur Popularisierung des Golfsports zu schaffen, bevor die deutsche Bewerbung eingereicht wurde. Stattdessen versucht man jetzt die Versäumnisse durch fragwürdige Pressemitteilungen voller Halbwahrheiten auszumerzen.

13 Kommentare
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