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Men in Black: Charlie Sifford, Lee Elder und der Kampf gegen die Kaukasier-Klausel

12 Januar 2012 587 views Kein Kommentar

Der 13. April 1997 war der Tag des Tiger Woods. Soeben, fast auf den Tag genau 50 Jahre nachdem Jackie Robinson auf dem Baseball-Feld die Rassenintegration begann, hatte er sein eigenes Kapitel Sportgeschichte geschrieben und mit dem Masters als erster schwarzer Golfer ein Major-Turnier gewonnen – noch dazu mit 12 Schlägen Vorsprung. Mit dem grünen Jackett über den Schultern wusste Woods ganz genau, wem er für diesen Sieg zu danken hatte. „Ich bin kein Pionier. Charlie Sifford, Lee Elder, Teddy Rhodes: das sind die Jungs, die den Weg bereitet haben“, schwärmte Tiger in einem der seltenen aufrichtig wirkenden Interviews seiner Karriere.

Bevor er diesen Satz den Journalisten in die Notizbücher diktierte, hatte er sich bereits bei einem der Männer persönlich bedankt. Lee Elder, der 1975 – dem Jahr von Tiger Woods Geburt – als erster schwarzer Golfer am Masters teilnehmen durfte, ließ es sich nicht nehmen, in Augusta persönlich diesem historischen Moment beizuwohnen. Als Woods ihn unter den Zuschauern erkannte, umarmte er Elder und flüsterte dem sichtlich bewegten 62-Jährigen „Danke, dass Du dies ermöglicht hast“, ins Ohr. Doch so monumental dieser Augenblick auch war: Er war nicht annähernd ein Ausgleich für das, was Elder und seine Leidensgenossen schwarzer Hautfarbe viele Jahrzehnte lang erdulden mussten.

Die Kaukasier-Klausel

Schuld war einziger Satz in der Verfassung der Professional Golfer’s Association of America – und verursacht hatten ihn bizarrerweise die Frauen. 1934 kam auf der Jahreshauptversammlung der PGA die Frage auf, wie man sich verhalten sollte, falls – Gott behüte! – eine Frau die Mitgliedschaft beantragt. Kurzerhand stellte die Versammlung eine Liste von verpflichtenden Mitgliedskriterien auf, die sie in Artikel 3, Absatz 1 schriftlich festhielt. Neben einem Mindestalter von 18, fünf Jahren Berufserfahrung und einem Wohnsitz in Nord- oder Südamerika, wurde erstmals auch ein Prinzip in schriftlicher Form festgehalten nach dem die PGA bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1916 operierte: der Verband ist exklusiv für Kaukasier. Oder um es mit „West Side Story“ zu sagen: „Life is all right in america, when you’re all white in america.“

Dabei haben Afro-Amerikaner sogar schon im 19. Jahrhundert dem Golfsport ihren Stempel aufgedrückt. Hinter den Kulissen durch den Bostoner Zahnarzt George Grant, der im Dezember 1899 das Patent #638920 für das erste Holztee anmeldete (und erst 1991 offiziell dafür die Ehre einstrich), und auf sportlicher Seite durch John Shippen. 1896, bei der zweiten U.S. Open in Shinnecock Hills, lag der 17-Jährige Lokalmatador nach der ersten Runde in Führung. Am Ende wurde er Sechster unter 16 Teilnehmern, doch beinahe hätte er gar nicht spielen dürfen. Als die Konkurrenten seine Hautfarbe sahen, drohten sie mit dem Boykott der Veranstaltung. Erst ein Machtwort von Theodore Havemeyer, dem Präsidenten des U.S. Golfverbandes, sorgte für die ordnungsgemäße Durchführung der U.S. Open. Leider gab es im Verlauf der nächsten 60 Jahre nur wenige Menschen, die sich so intensiv für die Gleichbehandlung der schwarzen Golfer einsetzten.

Isoliert, beleidigt und ins Loch geschissen

Die Diskriminierungen fingen bereits mit kleinen Dingen an. 1930 nahm Robert Ball als erster schwarzer Golfer an der Western Amateur teil. 153 Teilnehmer waren im Feld – Ball wurde unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit frühmorgens alleine mit einem Zähler rausgeschickt. Diese Funktion als Rasenmäher war für afroamerikanische Golfer nichts Ungewöhnliches. Bei der Phoenix Open 1952 schickte man Bill Spiller, der vier Jahre zuvor die PGA auf sein Spielrecht verklagt hatte, mit drei weiteren schwarzen Golfern als ersten Flight auf die Runde. Als sie auf dem ersten Grün ankamen, entdeckten sie einen losen hinderlichen Naturstoff im Loch – und zwar einen großen braunen Haufen davon. Diese alltäglichen Tyranneien waren lästig. Viel schlimmer war jedoch die institutionelle Benachteiligung.

1939 akzeptierten weniger als 20 der 5209 Golfclubs in den USA schwarze Golfer auf ihren Fairways. Als Gerichte Ende der 40er die PGA zwangen, das Wort offen in ihren Open-Turnieren wörtlich zu nehmen, wandelte man sie plötzlich in Einladungsturniere um. Und als schließlich auch die Rassentrennung auf öffentlichen Golfplätzen verboten wurde, pachteten weiße Golfer für einen Jahresbetrag von einem Dollar die Clubs von den Städten und hielten das Spielverbot aufrecht. Erst das als Greensboro Six in die Geschichte eingegangene Sextett, das 1955 nach einer Runde im Gillespie Park 30 Tage in den Knast gesteckt wurde, setzte vor einem Bundesgericht ein Verbot dieser Praxis durch. Geholfen hat es ihnen nicht: bevor sie ihr Spielrecht ausnutzen konnten, fackelte ein Rassist das Clubhaus ab und der Platz wurde für sieben Jahre geschlossen. Lieber sollte keiner Golf spielen, als dass man das Grün mit Schwarzen teilen musste.

Charlie Sifford

Eine Einstellung, die sich vor allem im historisch vorbelasteten Süden fand, der aufgrund des warmen Wetters den Großteil der Turniere ausrichtete. Für Schwarze, die in dieser Ära des offenen Rassismus aktiv waren, wurde der Versuch zu spielen zum Kampf gegen Windmühlen an dem die meisten von ihnen zerbrachen. Nicht so Charlie Sifford. 1922 geboren, verlief seine Karriere wie bei den meisten schwarzen Golfern. Er begann als Caddie, brachte sich heimlich das Spiel mit geschenkten Schlägern und hausgemachtem Schwung bei, wurde von einem schwarzen Star als persönlicher Golftrainer eingestellt (in Siffords Fall Bandleader Billy Eckstine) und arbeitete nebenbei an seinem Spiel. So erfolgreich, dass er der unbestrittene Star der United Golf Association wurde – dem schwarzen Pendant zur PGA Tour. Fünf Mal in Folge, von 1952 bis 1956, gewann er die National Negro Open. Eine Dominanz, die später nur noch Lee Elder erreichen sollte, der 1966 von seinen 22 Starts auf der USA 18 mit einem Sieg beschloss.

Doch die Chance sich regelmäßig mit den besten weißen Golfern zu messen, blieb ihnen verwehrt bis Kaliforniens Generalstaatsanwalt Stanley Monk der PGA die Daumenschrauben anlegte: Entweder sie streicht die Kaukasier-Klausel oder sie darf nie wieder Turniere in Kalifornien abhalten. Als man am 10. November 1961 endlich einknickte und die Klausel mit 87:0 Stimmen strich, hatte Charlie Sifford seine Blütezeit schon hinter sich. Zweimal jedoch, bei der Greater Hartford Open 1967 und der Los Angeles Open 1969, konnte Sifford sich durchsetzen und wies damit nach, dass er jederzeit mit den weißen Stars hätte mithalten können. 2004 wurde der Vorreiter der Rassenintegration im Golfsport als erster Afro-Amerikaner in die World Golf Hall of Fame aufgenommen. Nur sein Lebenstraum einer Mastersteilnahme blieb Sifford verwehrt. Eine Erfahrung, die ihn so verbitterte, dass der 89-Jährige noch immer keinen Fuß auf Augusta National gesetzt hat. Spricht man ihn heute darauf an, antwortete er mit zwei Worten: “Fuck Augusta” – Scheiß auf Augusta.

Der Skandal von Shoal Creek

Der Edelclub in Georgia wäre vielleicht noch heute eine exklusive Bastion für weiße Golfer, wenn es vor der PGA Championship 1990 in Shoal Creek nicht zu einem schlagzeilenträchtigen Eklat gekommen wäre. In einem Interview gefragt, warum es in seinem Privatclub keine schwarzen Mitglieder gäbe, antwortete Shoal-Creek Chef und Augusta-National-Mitglied Hall Thompson: „Wir lassen uns nicht vorschreiben, wen wir aufnehmen. Außerdem diskriminieren wir ja nur gegen Schwarze.“ Als die Geschichte am 21. Juni 1990 im Birmingham Post Herald erschien, begann der Aufruhr. Bürgerrechtsorganisationen liefen bei der PGA Tour Sturm während Jack Nicklaus sich damit blamierte, Thompson von allen Assoziationen mit Rassismus freizusprechen. Vergeblich: Firmen zogen ihre Werbespots aus den TV-Übertragungen zurück und der übertragende TV-Sender schlug Alarm. Resultat war ein erbärmlicher Kompromiss. Shoal Creek kürte als Feigenblatt den schwarzen Geschäftsmann Louis J. Willie zum Mitglied ehrenhalber und das verlogene Spiel ging weiter. Allerdings nicht auf Dauer.

Die PGA und die PGA Tour erklärten, kein Turnier mehr in einem Club abzuhalten, der diskriminiert. Zahlreiche Clubs – darunter Augusta National in Person von Ron Townsend – nahmen kurz darauf die ersten schwarzen Mitglieder in ihren Reihen auf, während andere es vorzogen auf die Austragung eines Turniers zu verzichten. Butler National gab lieber die Western Open ab als einen Schwarzen aufzunehmen und Cypress Point stieg aus der Rotation für das AT&T National Pro-Am aus. Zwar wollte man schwarze Mitglieder zulassen (und hat dies heute auch getan), aber der Club fand eine sofortige Aufnahme unfair gegenüber denen, die seit sieben Jahren auf der Warteliste standen.

Bis heute ein weißer Sport

Dennoch war damit die letzte Hürde für schwarze Golfer gefallen. Doch einen Boom konnte weder dies noch die Siegesserie von Tiger Woods bei ihnen auslösen. Erst 15 Jahre nach Woods kam ein weiterer Afro-Amerikaner – der insgesamt 27. – auf die PGA Tour. Allerdings hat Joseph Bramlett die Karte nach einer desaströsen Rookie-Saison sofort wieder verloren. Somit sind aktuell auch weiterhin noch weniger afroamerikanische Golfer auf der PGA Tour als während der Hochphase der Diskriminierung. Auf der LPGA Tour sieht es nicht besser aus. Seit LaRee Sugg 2001 ihre Tourkarte verlor, hat keine schwarze Golferin mehr eine volle Spielberechtigung besessen. Eine Entwicklung, die man durch alle Belange des US-Golfsports weiterführen kann. Zum Jahrtausendwechsel waren von den 16000 Golfclubs in den USA gerade einmal vier in Besitz schwarzer Eigentümern. Von den 28.000 amerikanischen Golflehrern sind lediglich 145 afroamerikanisch. Und waren vor einigen Jahrzehnten noch die Hälfte der Tourcaddies schwarzer Hautfarbe, so kann man diese mittlerweile an zwei Händen abzählen.

Die Caddie-Problematik ist heutzutage vielleicht das größte Hindernis für die Entwicklung schwarzer Golfer. Lee Elder, Charlie Siffords und Co. fanden ihren Einstieg in diesen Elitesport über ihre Jobs als Caddies. Mit dem Aufkommen des Carts strichen die meisten Clubs in den USA diese Jobs und verbauten damit schwarzen Golfern die günstigste und effektivste Möglichkeit, sich mit dem Sport vertraut zu machen. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade einmal 7% aller US-Golfer afroamerikanischer Herkunft sind. Auf dem Papier ist die Kaukasier-Klausel vielleicht seit 50 Jahren verschwunden, in der Realität hat sich aber nur wenig verändert. Und die Aussichten sehen düster aus. Wenn die zwei mächtigsten Golfer der Welt, Barack Obama und Tiger Woods, auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren keinen Boom unter den Afroamerikanern auslösen konnten, kann man sich nur schwer vorstellen, dass es irgendwann jemanden geben wird, der den Golfsport schwarz einfärben kann.

Dieser Artikel erschien auch in der Oktober-Ausgabe der Golf Punk

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