Mindestpunkte und Heimtour-Bonus

So verwirrend das Berechnungssystem der Weltrangliste auch ist, so vorbildlich ist die Transparenz. In einem auf der offiziellen Webseite verfügbaren PDF wird nicht nur ausgehend von den Punkten für den Sieger aufgeschlüsselt welcher Platz wieviele Weltranglistenpunkte erhält. Man erfährt auch, wie die Siegerpunktzahl aufgrund der Stärke der Felder errechnet wird und wieviele – ich nenne sie mal Stärkepunkte – jeder einzelne Weltranglistenplatz einbringt. Das Problem dabei: Diese OWGR-Bibel kann überstimmt werden – und zwar durch die garantierten Mindestpunktzahlen für die einzelnen Touren. Aktuell sind dies:

  • 6 Punkte für Canadian Tour, South American Tour, One Asia Tour und Korean Tour
  • 12 Punkte für Challenge Tour
  • 14 Punkte für Asian Tour, Sunshine Tour und Nationwide Tour
  • 16 Punkte für Australasian Tour und Japan Tour
  • 24 Punkte für European Tour und PGA Tour
  • bei co-sanktionierten Turnieren gilt der Durchschnittswert beider Veranstalter

Eine Ausnahme bilden die Flagship-Events der einzelnen Touren, die höher bewertet werden. Dieses sind:

  • The Players Championship 80 Punkte
  • BMW PGA Championship 64 Punkte
  • Australian Open 32 Punkte
  • Japan Open 32 Punkte
  • South African Open 32 Punkte
  • Nationwide Tour Championship 20 Punkte
  • Thailand Golf Championship 20 Punkte
  • Challenge Tour Grand Final 16 Punkte

Die Überlegung, die hinter dieser Mindestpunktzahl steckt ist folgende: Da nur Spieler bis zur Weltranglistenposition 200 in die Bewertung der Stärke des Turnierfeldes einfließen, würden auf den kleinen Touren ohne diese Punktzahl meistens 0 Stärkepunkte entstehen und kaum Weltranglistenpunkte verteilt. Da die Touren jedoch eine Gemeinschaft bilden, wäre dies sehr einseitig. Die Einführung der Mindestpunktzahl ist quasi der Länderfinanzausgleich der Weltrangliste. So ehrbar dieses Anliegen auch ist, wie kaum ein anderer Punkt verzerrt es die Ergebnisse. Nur zwei kleine Beispiele, die das Dilemma deutlich aufzeigen.

Nehmen wir als Beispiel einmal die Japan Open und stellen uns vor, dass die besten japanischen Golfer ohne Ausnahme daran teilnehmen. Ach, was soll’s: Gönnen wir uns den Spaß und sagen die besten Koreaner sind auch allesamt dabei (unrealistisch, da 2011 nur der spätere Sieger Sang-Moon Bae von den Top-Koreanern antrat). Rein aufgrund der Stärke des Feldes würden selbst unter dieser Extremannahme nur 20 Weltranglistenpunkte für den Sieger dabei herausspringen – den Home Tour Bonus (siehe unten) außen vorgelassen. Tatsächlich erhält der Sieger aber 32 Weltranglistenpunkte.

Noch besser illustriert das Finale der Challenge Tour die Absurdität des Systems. Das sogenannte Grand Final findet mit einem limitierten Feld statt, das weniger als ein Drittel der üblichen Teilnehmer zählt, erhält aber mehr garantierte Weltranglistenpunkte. In diesem Jahr waren die neun besten Teilnehmer auf folgenden Weltranglistenplätzen platziert: 160, 176, 226, 263, 268, 282, 289, 291 und 299. Alleine aufgrund der Stärke des Feldes wären dies jämmerliche 6 Weltranglistenpunkte für den Sieger (und selbst das ist noch gnädig). Was erhielt der Sieger? 16 Punkte – soviel wie der Sechstplatzierte bei einem WGC-Turnier bzw. der Players Championship. Oder anders ausgedrückt: Jeder Spieler der Welt – selbst Luke Donald – würde mit einem Sieg gegen diese schwache Konkurrenz seine Ausgangslage in der Weltrangliste verbessern.

Aber auch die großen Touren haben ihre maßlos überbewerteten Turnier. Daher mein Vorschlag zur Güte: Sämtliche Mindestpunktzahlen – egal für welche Tour werden halbiert. Sollte ein Turnier besser besetzt sein, macht es keinen Unterschied, aber die maßlose Überbewertung kleinerer Turniere hätte damit endlich ein Ende.

Auf der anderen Seite des Spektrums kann man sogar darüber diskutieren ob die pauschalen 100 Punkte für alle vier Majors sowie die 80 Punkte für die Players Championship eine richtige Maßnahme sind. Denn dies ist mehr der Bedeutung der einzelnen Turniere geschuldet als der tatsächlichen Stärke des Feldes. Analysiert man die Majors anhand des Teilnehmerfeldes fällt auf, wie elitär das Masters besetzt ist. Aus den Top 200 der Welt sind beim ersten Major des Jahres gerade einmal 82 Spieler angetreten. Bei der U.S. Open waren es 91, bei der Open Championship schon 113 und die traditionell am besten besetzte PGA Championship zog 124 der Top 200 an. Sogar fünf reguläre PGA-Tour-Turniere hatten mehr Top-200-Spieler als das Masters am Start – allen voran die Players Championship, die mit 114 mehr als drei der vier Majors aufbot.

Allerdings muss man das Ganze ein wenig relativieren: die Players hat ein großes Kontingent an Spielern zwischen 100 und 200 der Weltrangliste während das Masters als einziges Turnier des Jahres alle aus den Top 50 der Welt aufbot. Erstellt man ein gewichtetes Ranking bei dem Platz 1-10 mit 8, Platz 11-50 mit 4 und Platz 51-100 mit 2 multipliziert werden, erhält man einen ganz guten Vergleich über die Stärke der Felder.

Demnach ist die PGA Championship das beste Turnier des Jahres vor der Open Championship. Dahinter folgen mit etwas Respektabstand fast gleichauf das Masters, die U.S. Open und die Players Championship. Wenn man konsequent sein wollte, müsste man das Masters und die U.S. Open eigentlich auf 80 Weltranglisten-Punkte abwerten. Aber das ist so eine heilige Kuh, dass man davon dann vielleicht doch lieber die Finger lässt.

Deutlich wichtiger ist dagegen wie die Weltrangliste die relative Stärke eines Teilnehmerfeldes errechnet. Hierfür bringen Spieler je nach ihrer Weltranglistenposition Stärkepunkte in das Turnier an. Platz 101-200 je 1, 81-100 je 2 (…), 16-30 je 11 und die ersten 15 der Welt aufsteigend zwischen 12 und 45 Stärkepunkten. Ein völlig absurdes System, das an der Natur des Golfsports vorbei geht. Aktuell beispielsweise wäre es genauso schwierig einen zweiten Platz in einem Turnier zu belegen an dem nur Luke Donald teilnimmt als in einem Turnier, das Webb Simpson, Sergio Garcia, Bill Haas und Gary Woodland im Teilnehmerfeld hat.

Anders ausgedrückt: JEDES Turnier, das Luke Donald im Feld hat, wird automatisch mindestens 16 Weltranglistenpunkte an den Sieger ausschütten – ganz egal wer sonst noch am Start ist, während der Weltranglistensiebte gerade mal eine garantierte Siegerpunktzahl von 10 bringt. Auf diese Art und Weise wird die OWGR ein sich selbst erhaltendes System, das es Spitzenspielern ganz einfach macht, sich auf Dauer oben zu halten – mit ein Grund warum Tiger Woods während seiner Krise so lange an der Spitze blieb. Ein wie oben von mir angewendetes System, das die Top 10 der Welt gleich behandelt und dann Stufen bis Platz 50, 100 und 200 macht, scheint da doch deutlich fairer zu sein.

Für meine Neuberechnung der Weltrangliste habe ich dies aufgrund des aufwendigen Prozederes allerdings nicht berücksichtigt. Hier wurden nur wie oben erwähnt die Minimalpunkte halbiert, so dass beispielsweise die Thailand Golf Championship mit 26 Punkten für den Sieger in die Wertung eingeht (unter Berücksichtigung meiner vorgeschlagenen Formel wären es für dieses Turnier übrigens 22-24 Punkte gewesen). Die folgenden Turniere würden zu denen gehören, die die deutlichste Abwertung erfahren.


Thailand Golf Championship (Asian) von 32 auf 26
JB Were Masters (Australasia) von 32 auf 24
Japan Open (Japan) von 32 auf 16
South African Open (Sunshine) von 32 auf 14
Dunlop Phoenix (Japan) von 28 auf 20
Mitsui Sumitomo VISA Taiheiyo Masters (Japan) von 26 auf 18
Kolon Korea Open (Korean) von 26 auf 16
Johor Open (Asian / European) von 24 auf 18
Scandinavian Masters (European) von 24 auf 18
Iberdrola Open (European) von 24 auf 12
Puerto Rico Open (PGA) von 24 auf 10
Austrian Open (European) von 24 auf 10
Reno-Tahoe Open (PGA) von 24 auf 10
Mynavi ABC Championship (Japan) von 22 auf 16
PGA Championship Nissin Cupnoodle Cup (Japan) von 22 auf 16
Vana H Cup KBC Augusta (Japan) von 20 auf 14
Shinhan Donghae Open (Korean) von 20 auf 14
Alfred Dunhill Championship (Sunshine) von 20 auf 10
Nagashima Shigeo Invitational Sega Sammy Cup (Japan) von 20 auf 14
Golf Nippon Series JT Cup (Japan) von 18 auf 12
Coca-Cola Tokai Classic (Japan) von 18 auf 12
Madeira Islands Open (European) von 18 auf 6
Telkom PGA Championship (Sunshine) von 14 auf 7

Wie man sieht, liegen die Turniere, die am meisten von den Offiziellen der Wetrangliste subventioniert werden, in Asien. Dies erklärt auch, warum aus dem Nichts Spieler wie in diesem Jahr Sang-Moon Bae auftauchen und in die Top 30 der Welt vordringen können. Das soll keine pauschale Abwertung der asiatischen Spieler oder von Bae im speziellen sein – immerhin hat er dieses Jahr auch die amerikanische Q-School überstanden und tritt 2012 auf der PGA Tour an. Dennoch ist es ein Fehler im System, dass Spieler in die höchsten Sphären der Weltrangliste vordringen können ohne dass sie sich auch nur einmal mit den wirklich besten Spielern der Welt gemessen haben.

Aber auch die kleineren Turniere der beiden großen Touren sind mit ihrer Mindestpunktzahl hoffnungslos überbewertet. Dass die Sieger der Reno-Tahoe Open, Austrian Open, Iberdrola Open und Puerto Rico Open je 24 Weltranglistenpunkte bekommen (das Äquivalent zu einem 5. Platz bei einem Major) obwohl bei den vier Turnieren zusammen (!) nur 11 Spieler aus den Top 100 der Welt antraten ist ein Witz und der wichtigste Grund warum die offizielle Golf-Weltrangliste so fehleranfällig ist.

Der zweitwichtigste Grund nennt sich Home Tour Bonus und ist vermutlich nur den wenigsten bekannt. Seit einigen Jahren werden zusätzlich zur Weltranglistenposition der Teilnehmer auch Stärkepunkte für ihre Position in der Geldrangliste der jeweiligen Tour verteilt. Wenn die Top 30 der Geldrangliste am Start sind, wird dies genauso hoch bewertet als seien die Nr. 10-14 der Weltrangliste am Start. Das funktioniert vielleicht bei der PGA- und European-Tour aber nicht auf der Sunshine- und Japan-Tour und schon gar nicht auf der Korean Tour.

Abgefedert soll das Ganze dadurch werden, dass dieser Home Tour Bonus lediglich 75% der realen Stärkebewertung ausmachen kann. Anders ausgedrückt: Dieser Bonus kann nur voll genutzt werden für Turniere, die 24 Punkte oder mehr an den Sieger ausschütten. Das ist natürlich Augenwischerei, denn das Einzige was dieser Home-Tour-Bonus macht, ist große Turniere zu entwerten und kleine Turniere überzubewerten.

Ein kleines Rechenbeispiel: Die Major-Turniere sind bei 100 Punkten nach oben gedeckelt, für sie tritt der Home-Tour-Bonus also nicht in Kraft. Bei großen Turnieren wie der Dubai World Golf Championship erhöht der Home-Tour-Bonus den Turnierwert von 52 auf 58 – also um etwa 11,5%. Wenn aber ein Turnier mit 24 Punkten diesen Home-Tour-Bonus voll ausschöpft, schießt der Wert plötzlich auf 34 nach oben. Also um satte 42%. Nichts illustriert besser die Absurdität dieser Regelung, die als eine der ersten Dinge ausradiert gehört.

Für meine Neuberechnung der Weltrangliste, die im sechsten und letzten Teil veröffentlicht wird, war es mir aufgrund des Aufwandes nicht möglich diesen Home Tour Bonus komplett herauszunehmen. Daher habe ich für die in der oberen Tabelle abgewerteten Turniere wieder 10% herauf addiert um es mit dem Bonus-Effekt für die größeren Turniere auf eine Ebene zu bringen.

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